Pinhooking in der Vollblutzucht. Eine kurze Einführung

Was ist „Pinhooking“?

Eine Beitrag von Peter Brauer.

Pinhooking – wenn Sie befürchten, dass es da wieder um so einen neumodischen amerikanischen Schweinkram geht, den es nicht wirklich braucht: Nein, nein. Pinhooking im ursprünglichen Sinne bedeutet nichts anderes, als bei Auktionen den Stift oder die Hand hochhalten, um etwas zu kaufen, in der Absicht es im Zuge seiner Entwicklung oder Reifung mit Gewinn zu verkaufen. Das kann alles Mögliche sein. Angefangen hat es wohl schon vor 200 Jahren in der Tabakbranche.

Pinhooking im europäischen Vollblutbereich ist ein gar nicht so kleines Geschäftsfeld, das eine Anzahl von Akteuren hauptberuflich betreibt, sehr viele andere nebenberuflich und manche Leute nur als Financier für jemanden, der wirklich das Pinhooking betreibt.

Sehr viele haben schon mal ein Pferd mit Gewinn verkauft. Der Pinhooker aber ist jemand, der von vornherein genau diese Absicht hat und es manchmal in großem Stil und mit sehr großer Spezialkenntnis macht.

Typischerweise gibt es im Vollblutbereich drei Hauptvarianten von Pinhhooking:

Viele – besonders in England, Irland und Frankreich – die einen Hof geerbt haben, aber von der Milchwirtschaft frustriert sind, kaufen Fohlen, manchmal auch Jährlinge, die sie von Abstammung und Typ her für künftige Hindernisrennpferde halten, und stellen sie sich für anderthalb, zwei Jahre auf die Weide. Das geschieht oft erstaunlich extensiv: Hin und wieder wird nachgesehen, ob noch alle da sind. Es gibt dann in den führenden Vollblutländern England, Irland und Frankreich jedes Jahr Auktionen, auf denen diese Pferde als sogenannte Stores angeboten werden. Sie werden darauf meist intensiv vorbereitet, so dass sie sich an den Menschen gewöhnen, sich erziehen lassen und vor allem Muskeln bilden, aber sie werden in den meisten Fällen nicht eingeritten, geschweige denn eingesprungen. Letzteres tun viele ihrer späteren Trainer lieber in ihrer eigenen Regie. Sie fangen lieber mit dem „jungfräulichen“ Pferd an, als mit einem nicht nach ihren Vorstellungen eingesprungenen. Ein solches Pferd, wenn es eine prädestinierte Abstammung hat und sich gut präsentiert, kann schon einmal 300.000 Euro bringen. Dieses Pinhooking-Modell ist eher landwirtschaftlich geprägt und ist eigentlich sehr simpel. Was man dafür braucht ist u. a. die Fähigkeit, das einzukaufen, was zwei Jahre später Anklang bei den Käufern finden könnte.

Breeze Up-Sales für Zweijährige in Vortraining

Variante zwei ist ziemlich das Gegenteil und wird besonders von irischen Spezialisten betrieben: Wer nicht nur einen Stall, sondern auch geeignetes Personal hat, kauft im Oktober, November eine für ihn passende Zahl von Jährlingen und zielt mit diesen auf die Spezialauktionen für zweijährige, eingerittene und bald startfähige Pferde für Flachrennen. Solche Auktionen gibt es im April und Mai in den einzelnen Ländern, in einer recht kleinen Abart auch in Iffezheim. Insgesamt mögen es schätzungsweise pro Jahr 1.000 Pferde sein, die diesen Weg gehen.

Einer der Nachteile hierbei: Es ist ein extremes Saisongeschäft. Was tun mit dem Personal, zwischen Mai und Oktober? Warum tut man es trotzdem? Nun, vielen Leuten im Pferdesport, das kennen Sie alle auch, geht das mit den Pferden alles viel zu langsam. Sie möchten Pferde kaufen, die nach dem Erwerb schon wenige Wochen später starten können. Die Gewinne, die ein guter Pinhooker erzielen kann, können ganz enorm sein. Denn hier wirkt nicht nur die Natur, sondern sehr stark der Mensch. Die Jährlinge werden sofort auf das Einreiten vorbereitet und bald eingeritten. Auch wenn es draußen friert, werden sie jeden Tag irgendwie bewegt. Weihnachten und Neujahr gibt es für diese Branche nicht. Die Betreuung dieser jungen Pferde ist intensiv und sachkundig, die veterinärmedizinische Versorgung, Fütterung alles wird so perfekt wie möglich gemacht. Die Auktionen sind sogenannte „Breeze Up“-Auktionen. Bevor die Pferde am Nachmittag oder anderntags in den Ring kommen, werden sie öffentlich, gewöhnlich einzeln, im Galopp auf einer Rennbahn vorgeritten. Dabei werden die letzten 400 Meter im schnellen Galopp absolviert. Während in Europa im Training Stoppuhren normalerweise nur eine sehr geringe Rolle spielen – hier wird die Zeit sowohl amtlich als auch von den Interessenten selbst gestoppt. Manche Interessenten stellen sich dabei gleich an die Strecke, um die Atemgeräusche beim Galoppieren und danach zu hören und auch um zu sehen, ob die Pferde bald wieder zur Ruhe kommen oder noch lange heftig pumpen. Manche treffen ihre Kaufentscheidung hier ganz simpel nach der erzielten Zeit. Die Mehrheit legt zwar auch Wert auf die Zeit, aber sieht sich das Ganze live und im Video wiederholt ganz genau an und beurteilt die Art des Galoppierens.

Bei manchen ist diese Geschäftsvariante sehr beliebt: Bei den Verkäufern wegen der mitunter beträchtlichen Erlösmöglichkeiten, bei den Käufern, weil sie hier Pferde kaufen, die schon fast das Zeug haben, um Rennen zu laufen. Es ist etwas für ungeduldige Besitzer, aber auch mitunter für kleine Trainer, die nicht die Möglichkeit haben, junge Pferde optimal anzutrainieren, und dies lieber anderen überlassen. Die beiden größten (irischen) Pinhooker auf diesem Gebiet kaufen jedes Jahr 50 und mehr Jährlinge hierfür. Einer davon behält die meisten der weniger frühreifen Pferde sowie diejenigen, die nicht den gewünschten Preis erzielen, und lässt sie später unter seinem Namen in Frankreich im Rennbetrieb laufen, mit ansehnlichem Erfolg.

Insgesamt muss man sagen, dass dieses Geschäft sich als sehr konjunkturabhängig erwiesen hat. Gemeint ist die allgemeine Wirtschaftskonjunktur. Mehrmals war es so, dass fabelhafte Preise in ein, zwei Jahren, die Leute animiert haben, mit vielen Pferden in dieses Geschäft einzusteigen. Wenn dann die Nachfrage sank, z. B. wegen Rezession, Pandemie, standen die Pinhooker mit einem Überangebot da und mussten zu bescheideneren Preisen verkaufen.

Kauf von Fohlen für spätere Verwendung im Flachrennsport

Nun zum Hauptgebiet des Pinhookings, dem Kauf von Fohlen, um sie ca. 10 Monate später als Jährlinge mit Gewinn abzusetzen. Gegen dieses Geschäftsmodell lässt sich nicht viel einwenden: Wer eine geeignete Aufzuchtstätte hat, sucht sich Fohlen aus, um sie bei sich zu halten und in den letzten Wochen vor den Auktionen vorzubereiten. Akteure, die dies in ganz kleinem Rahmen oder in großem - mit sehr teuren Fohlen oder mit preiswerten Schnäppchen – tun, gibt es in den drei genannten Ländern sehr viele, in Deutschland mit seinem winzigen Vollblutmarkt so gut wie gar nicht.

Was die Pferde angeht, so werden aber auch in Deutschland jedes Jahr Dutzende Jährlinge von ausländischen Gestüten, Agenten oder reinen Pinhookern angekauft. Regelmäßig und planvoll. Sie haben damit insgesamt sehr großen Erfolg. Das liegt aber nicht daran, dass es so einfach ist, sondern mehr daran, dass diese Leute sehr  kenntnisreiche und in der Regel mutige Fachleute sind.

Einen wirklichen Fohlenmarkt gibt es im deutschen Vollblutbereich jedoch nicht – im Gegensatz zu England, Irland, Frankreich und den USA. Der Anteil der Pinhooker am Gesamtgeschehen ist dabei sehr bedeutend, fast beherrschend. Sie suchen gefällige Fohlen aus und berücksichtigen dabei die genauestens die erkennbaren Trends: Welche Hengste sind im Kommen, welche sind schon mehr oder weniger abgesagt? Gibt es Hengste, deren Fohlen oft unscheinbar sind, sich zum Jährlingsalter aber besonders gut entwickeln? Gibt es Geschwister eines Fohlens im Rennstall, von denen man in Kürze besonders gute Rennleistung erwartet, die den Wert des Fohlens erhöhen werden? Mit welchen Vätern und Müttern hat man gute Erfahrungen gemacht? Welche Gestüte sind es, von deren Haltung man nicht viel hält, so dass bessere Haltung einen besonderen Entwicklungssprung erhoffen lässt?

Auch dieses Geschäft ermöglicht im günstigen Fall große Gewinne, birgt aber hohe Risiken. Jeder weiß, wie viele Pferde man zwischen Fohlen- und Jährlingsalter durch Krankheiten oder Verletzungen verliert. Auch dass die jungen Pferde sich ganz unterschiedlich gut entwickeln. Wer dieses Geschäft macht, muss fachlich auf der Höhe der Zeit sein und exzellente, möglichst fehlerlose Arbeit machen. Anderenfalls macht er jedes Jahr Verlust.

Insgesamt sieht es so aus, dass Pinhooking in Frankreich nur im Einzelfall und mit Glück Erfolg bringen kann. Im viel stärkeren englischen und irischen Markt lässt es sich aber zweifellos mit gutem Erfolg durchführen. Übrigens ist es bei den Auktionen so, dass jeden Tag in einem Newsletter minutiös die Preise veröffentlicht sind, die die Angebote im Katalog als Fohlen gekostet haben. Hin und wieder erzielt jemand das Zwanzigfache oder mehr des Fohlenpreises. Die Regel ist dagegen in Summe ein Bruttogewinn im zweistelligen Prozentbereich. 

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